Kleine Mengen mit großem Effekt – B-Vitamine in der Schwangerschaft
Die normale Entwicklung deines Kindes ist von verschiedenen Faktoren abhängig – unter anderem auch davon, ob du über die Ernährung all jene Vitamine und Mineralstoffe zu dir nimmst, die dafür wichtig sind. Die Forschung hat im Lauf der Jahre immer mehr darüber herausgefunden, welche Vitamine besonders bedeutsam sind und welche davon während der Schwangerschaft zusätzlich eingenommen werden sollten, um das Risiko von Versorgungsmängeln zu minimieren. Besonders in den Fokus geraten sind dabei die so genannten B-Vitamine. Hier erfährst du, warum sie so wichtig sind und wie du sie gezielt zu dir nehmen kannst.
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Was macht die B-Vitamine eigentlich aus?
Insgesamt acht verschiedene chemische Verbindungen mit ganz unterschiedlichen Funktionen im menschlichen Körper werden in der Kategorie der B-Vitamine zusammengefasst. Ihre offenkundigste Gemeinsamkeit ist, dass sie wasserlöslich sind und deshalb nur schwer im Organismus gespeichert werden können. Wir müssen sie also noch regelmäßiger als z. B. fettlösliche Vitamine zu uns nehmen. Eine Überdosierung ist dafür aber kaum zu befürchten.
Bekanntermaßen sind alle Vitamine lebensnotwendige Stoffe, die unser Körper nicht selbst produzieren kann – der Name ist Programm. Viele Vitamine haben Schlüsselfunktionen oder bilden Vorstufen von Enzym-Bausteinen, die erst im Körper selbst fertiggestellt werden und dort dann die zum Teil sehr komplizierten Stoffwechselprozesse vorantreiben.
Es können Probleme an den Funktionen des Körpers auftreten, wenn die „Lieferketten“ für diese Enzyme reißen und die Versorgung nicht mehr in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Anders als in der Wirtschaft werden diese Probleme oft erst verspätet bemerkt, denn der menschliche Körper ist zäh und verfügt über eine gute Notfallausstattung.
Die Schwangerschaft ist allerdings der denkbar schlechteste Zeitpunkt, in eine Notfallsituation zu geraten, denn gerade jetzt braucht der Körper eine stärkere Versorgung mit Mikronährstoffen. Immerhin entsteht im Körper der Schwangeren gerade ein neuer Mensch. Und das ist ein weit komplexeres Projekt, als ein Auto zu bauen – um noch mal den Vergleich mit der Wirtschaft zu bemühen.
Die B-Vitamine in der Schwangerschaft
Natürlich sind alle Vitamine wichtig. Die B-Vitamine haben zahlreiche Aufgaben, die hier aufzuzählen den Rahmen des Artikels sprengen würde. Nur so viel: Sie sind – je nach Vitamin – u. a. entscheidend an Stoffwechselvorgängen beteiligt, helfen bei der Regulierung von Hormonen, und tragen zur Blutbildung und zur gesunden Funktion der Nerven (also auch des Gehirns) bei.
Im Zusammenhang mit deiner Schwangerschaft verdienen die folgenden B-Vitamine eine genauere Betrachtung: Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin B12 (Cobalamin).
Vitamin B1 (Thiamin)
An Vitamin B1 besteht während der Schwangerschaft und Stillzeit ein erhöhter Bedarf. Thiamin ist nicht nur wasserlöslich, sondern auch sehr hitze-, alkali- und sauerstoffempfindlich. Über den akuten Bedarf hinaus kann der Körper das Vitamin nicht speichern, deshalb ist der körpereigene Vorrat schon innerhalb von 14 Tagen aufgebraucht.
Während der Schwangerschaft brauchst du mehr Vitamin B1 als sonst. Der Bedarf liegt bei 1,2 bis 1,3 Milligramm gegenüber 1 Milligramm bei nicht schwangeren Frauen. Bei einer ungesunden Ernährungsweise mit viel Fast Food und Süßigkeiten, also Nahrung, die wenig Nährstoffe enthält, kann es bei schwangeren Frauen durchaus zu einem Mangel an Thiamin kommen. Erste Symptome dafür sind quälende Müdigkeit, Reizbarkeit, Appetitmangel und Konzentrationsschwäche.
Gute Quellen für das Vitamin B1 sind beispielsweise Sonnenblumenkerne, Nüsse, Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen, aber auch Vollkorngetreide (Müsli!) und Schweinefleisch. Beim Gemüse empfehlen sich Kartoffeln, Spargel, Brokkoli und Grünkohl.
Vitamin B6 (Pyridoxin)
Auch das Vitamin B6 ist an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt. Es hilft u. a. dabei, Eiweiße und Kohlenhydrate zu verstoffwechseln, also für den Körper biochemisch umzubauen und verwertbar zu machen. In der Schwangerschaft steht allerdings seine Bedeutung für das Nervensystem, die Regulierung von Hormonen und die Bildung der roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport im Vordergrund.
Logisch, dass der Bedarf an Pyridoxin mit der Entstehung eines Kindes wächst. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt im ersten Schwangerschaftsdrittel 1,5 Milligramm täglich und im zweiten sowie dritten Trimester 1,8 Milligramm. Übrigens brauchen nicht nur Schwangere mehr Vitamin B6, sondern auch Frauen, die mit oralen Kontrazeptiva (die „Pille“) verhüten, da diese die Aufnahme des Vitamins erschweren.
Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass ein niedriger Vitamin B6-Spiegel ursächlich für Schwangerschaftsübelkeit sein kann. Aber wie sehen die Symptome einer mangelhaften Versorgung mit Pyridoxin aus? Äußerlich sind das z. B. schuppende Hautausschläge, entzündete Lippen und Taubheitsgefühle der Gliedmaßen. Bei dauerhaftem Mangel können Funktionsstörungen der Leber und des Nervensystems, Blutarmut, Schlafstörungen und Depressionen die Folge sein.
Bei normalen Ernährungsgewohnheiten ist eine Unterversorgung allerdings nicht zu befürchten. Denn Vitamin B6 kommt in vielen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vor. Dazu gehören u. a. Bananen, Avocados, Sojabohnen, Nüsse, Vollkornprodukte, Gemüse, Fisch, Hühner- und Schweinefleisch. Da aber Pyridoxin durch Hitze teilweise zerstört wird, solltest du darauf achten, es auch in ungekochten Nahrungsmitteln zu dir zu nehmen.
Vitamin B9 (Folsäure bzw. Folat)
Folsäure bzw. seine natürlich vorkommenden Verbindungen, die Folate genannt werden, ist ein für den gesamten Organismus immens wichtiges Vitamin. So ist seine Verfügbarkeit im Körper für die Teilung der Körperzellen unersetzbar. Gleiches gilt für sein Zusammenspiel mit anderen Nährstoffen (u. a. auch dem Vitamin B12).
Relativ neu ist die Erkenntnis, dass Folsäure wohl auch einen Beitrag zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen leistet, indem sie den Homocystein-Spiegel im Blut reguliert.
Die ausreichende Versorgung mit natürlich vorkommenden Folaten in der Nahrung ist relativ schwer, denn auch das Vitamin B9 ist nicht nur wasserlöslich, sondern auch hitzeempfindlich. Die Ernährungsforschung zieht aus neueren Untersuchungen den Schluss, dass 79 Prozent der Männer und sogar 86 Prozent der Frauen einen zu niedrigen Folsäure-Spiegel haben.
Besonders dramatisch stellt sich dieser Mangel natürlich dar, wenn der körperliche Bedarf an Folsäure durch eine Schwangerschaft noch einmal erhöht ist – schließlich geht es dabei verstärkt um die Teilung von Zellen sowie das Wachstum des mütterlichen Gewebes in der Schwangerschaft. Jugendliche und Erwachsene haben einen Bedarf von ca. 300 Mikrogramm Folat-Äquivalent pro Tag, Schwangere brauchen hingegen 550 Mikrogramm!
Ein ausreichend hoher Folsäure-Spiegel ist auch unentbehrlich für den Schluss des embryonalen Neuralrohrs, aus dem sich später Gehirn und Rückenmark des Kindes bilden. Ist der Folsäure-Spiegel niedrig, stellt dies bei schwangeren Frauen einen Risikofaktor für die Entstehung von sogenannten Neuralrohrdefekten beim heranwachsenden Fötus dar.
Deshalb wird zur Vorsorge gegen Neuralrohrdefekte beim Kind die tägliche Einnahme von Folsäure möglichst schon vor Beginn der Schwangerschaft empfohlen – mehr dazu siehe hier.
Auch, wenn du Folsäure über Nahrungsergänzungsmittel zu dir nimmst, ist es sinnvoll, bei der Ernährung in der Schwangerschaft (und darüber hinaus!) darauf zu achten, dass du Folate zu dir nimmst.
Bei der Zubereitung solltest du daran denken, dass du das Gemüse nur kurz und unzerteilt wäschst; dass du dünstest statt kochst und die Speise direkt isst, statt sie warm zu halten. Besonders viele Folate nimmst du mit Weizenkeimen, Kichererbsen, Grünkohl sowie Feldsalat, Blattspinat und Brokkoli auf.
Vitamin B12 (Cobalamin)
Abgesehen von seiner Bedeutung für diverse Stoffwechselfunktionen (vor allem im Zusammenspiel mit Folsäure) ist Cobalamin auch noch das chemisch komplexeste Vitamin überhaupt; in seinem Zentrum steht ein Cobalt-Atom. Auch das macht es für die Forschung besonders interessant. Denn seine Wirkung im Körper wird wohl durch komplizierte quantenmechanische Prozesse erst dort gezielt ausgelöst, wo sie gebraucht wird.
Obwohl der menschliche Körper im Vergleich zu den anderen hier vorgestellten Vitaminen mengenmäßig nur sehr wenig Vitamin B12 braucht, spielt es eine große Rolle bei den Funktionen des Nerven- und Immunsystems. Darüber hinaus kommt es beim Energie- und Homocystein-Stoffwechsel sowie bei der Bildung roter Blutkörperchen zum Einsatz. Erwachsene brauchen 4 Mikrogramm Cobalamine am Tag, Schwangere 4,5 Mikrogramm und Stillende 5,5 Mikrogramm.
Auch wenn nur wenig davon erforderlich ist, kann ein Mangel an Cobalamin immense Folgen für den Organismus haben. Chronischer Mangel kann u. a. zu Blutarmut und Nervenschäden bis hin zu Muskellähmungen, Herzrhythmusstörungen und Depressionen führen.
Frühe Symptome können Blässe, Abgeschlagenheit und Taubheitsgefühle sein. Außerdem lässt sich ohne das Vitamin B12 der Gehalt von Homocystein im Blut nicht mehr effektiv regulieren. Auch deshalb ist eine ergänzende Einnahme mit entsprechenden Präparaten zu überlegen.
Da Vitamin B12 fast ausschließlich in Fleisch, Fisch und Milchprodukten vorkommt, solltest du bei vegetarischer Ernährung zudem verstärkt darauf achten, dass du täglich ausreichend Milch- und Eiprodukte zu dir nimmst. Falls du dich vegan ernährst, bist du dringend auf ein entsprechendes Nahrungsergänzungsmittel angewiesen. Wir empfehlen dir, dich von deiner Ärztin bzw. deinem Arzt beraten zu lassen. Hier erfährst du mehr zu Veganismus und Schwangerschaft.