Wildpflanzen ernten – auch in der Schwangerschaft?
Nachhaltigkeit, schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen und dem eigenen Portemonnaie: Die Gründe, Wildpflanzen in Stadt und Land für den persönlichen Gebrauch zu beernten, sind vielfältig. Auch wenn es sich dabei noch nicht um eine flächendeckende Bewegung handelt, haben sich schon diverse Städte wie Andernach und Kassel unter dem Motto „Essbare Stadt“ auf den Weg gemacht, im Stadtraum verstärkt nutzbare Pflanzen anzusiedeln. Worauf solltest du achten, wenn du schwanger bist und vorhast, einen Teil deines Obst- und Gemüsebedarfs in der freien Natur zu decken?
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Mit Vorsicht entdecken
Obst und Gemüse im Stadtraum zu ernten, hört sich für viele Menschen wie die Quadratur des Kreises an. Denn wenn wir an Stadt denken, besteht das erste Bild vor Augen aus gestauten Autos, deren Abgasen und viel versiegelter Fläche. Doch bei genauerem Hinschauen entdecken wir viele wildlebende Pflanzen, die Essbares zu bieten haben.
Viele Städte bieten Brachflächen, Parks und überraschend viel öffentlichen Raum, der nicht näher definiert oder genutzt wird. Dort ist – ebenso wie im ländlichen Raum – die Ernte in geringen Mengen für den persönlichen Gebrauch grundsätzlich gestattet. Im Internet findest du eine stetig wachsende Übersicht von Orten, an denen du Wildpflanzen ganz legal beernten kannst.
Was ist erlaubt?
Hast du schon mal von der „Handstraußregel“ gehört? Sie besagt, dass wilde Pflanzen für den privaten Gebrauch geerntet werden dürfen. Zu finden ist diese Regelung in §39 III des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG): „Jeder darf (...) wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“
Straßenbäume stehen in der Regel auf öffentlichen Flächen, doch im ländlichen Raum bilden Grünstreifen entlang der Landstraßen oft den Rand landwirtschaftlich genutzter Pachtflächen. Viele Landwirte können den zusätzlichen Aufwand allerdings gar nicht leisten, solche Obstbaumreihen zu beernten.
Du solltest dir aber vor der Ernte sicher sein, dass auf den benachbarten Feldern keine Pestizide zum Einsatz kommen. Das ist beim Anbau in Monokulturen in der Regel der Fall. Deshalb sind Obstbäume oder Holundergewächse in der Nähe von Weidewiesen bessere Ernteziele.
Die Ernte von Früchten am Wegesrand ist verboten, wenn es sich um Schrebergärten oder verpachtete Streuobstwiesen handelt. Flächen, die gärtnerisch oder agrarisch angelegt sind, sind ebenso tabu wie Pflanzen, die zu den besonders geschützten Arten gehören.
Gefahren bei der Ernte von Wildpflanzen
Gerade an Landstraßen kann die Ernte an den ziemlich dicht an der Fahrbahn stehenden Bäumen und Sträuchern sehr gefährlich sein. Dieser Gefahr sollte man sich und andere nicht aussetzen – erst recht nicht in der Schwangerschaft.
In der Stadt solltest du solche Wildpflanzen meiden, die sehr nah an einer stark befahrenen Straße stehen. Aber Grund für generelle Zurückhaltung im städtischen Raum gibt es nicht. Denn eine Studie der Technischen Universität Berlin kam zu dem Ergebnis, dass die Konzentration von Blei und Cadmium in Stadtobst sehr weit unter den EU-Grenzwerten liegt und dabei teilweise sogar deutlich geringer ist als bei entsprechender Ware aus dem Supermarkt.
Als Faustregel gilt, dass Bodennahes stärker belastet ist als Baumobst. Beerenfrüchte speichern im Schnitt mehr Schwermetalle als Stein- und Kernobst. In Nüssen ist die geringste Schadstoffkonzentration zu finden – und Nüsse sind der ideale Snack in der Schwangerschaft.
Darauf solltest du achten
Grundsätzlich ist zu empfehlen, nur dort niedrig sitzendes Obst oder Gemüse zu ernten, wo Verunreinigungen durch umherstreifende Hunde und Füchse unwahrscheinlich sind. Ganz sicher gehst du natürlich, wenn du Wildpflanzen nur ab einer Höhe erntest, wo Hunde nicht heranreichen, um Schmierinfektionen in deiner Schwangerschaft zu vermeiden.
In jedem Fall solltest du jede Ernte sehr gründlich waschen, um das Risiko eines Infekts zu minimieren. Das gilt übrigens auch für Supermarktobst und erst recht für vorgeschnittene, abgepackte Salate und Früchte sowie rohe Sprossen. Wenn du ganz sicher gehen willst, kannst du deine Ernte auch kochen bzw. zu Kompott oder Marmelade verarbeiten.
Ein paar Tipps für die Wildpflanzenernte
Die Schadstoffe aus dem Boden finden sich in Bäumen zwar im Blattwerk wieder aber nicht in den Früchten. Anders sieht das bei Gemüse und Kräutern aus. Das solltest du nur dort ernten, wo du dir sicher bist, dass die Böden weitgehend unbelastet sind.
Für den Fall, dass du selbst Gemüse und Kräuter im Stadtraum pflanzen möchtest, achte bitte darauf, entsprechend frische Erde zu nutzen. Ab dem zweiten Stock ist die Balkonernte auch hinsichtlich der Schadstoffbelastung der Luft an Straßen stark verringert.
Unter den Wildpflanzen ist Gemüse seltener zu finden als Obst. Besonders beliebt ist Bärlauch, weil er sich gut nebenbei auf einem ausgedehnten Wald- oder Parkspaziergang ernten lässt. Er wächst am liebsten unter Laubbäumen. Und wenn du schwanger bist, klingt so ein Waldausflug im Mai (Zeit für die Bärlauch-Ernte) doch besonders verlockend.
Aber Vorsicht! Bärlauch wird oft verwechselt und das kann tödlich enden. Denn Bärlauch ähnelt nicht nur dem Maiglöckchen, sondern auch der giftigen Herbstzeitlose. Deshalb solltest du schon hundertprozentig sicher in der Pflanzenbestimmung sein, wenn du auf Erntetour gehst – egal ob Obst, Gemüse oder Kräuter.
Es gibt vieles zu entdecken
Sanddorn, Holunder, Schlehe, Mispel, Hagebutte – viele dieser Wildpflanzen bekommst du im Supermarkt gar nicht und wenn doch, dann meist recht teuer. Dabei sind diese Pflanzen in unseren Regionen recht verbreitet. Es macht zugegebenermaßen einige Mühe, diese zu finden und zu ernten. Und du solltest in der Schwangerschaft natürlich auch keine Akrobatik anwenden müssen, um bei der Wildernte an solche Früchte heranzukommen.
Aber in Begleitung und in Verbindung mit einem schönen Spaziergang sowie anschließendem Einkochen der Wildpflanzen-Ernte ist das ein Erlebnis, an das du nicht nur gern zurückdenken wirst, sondern das dir z. B. als Marmelade oder Apfelmus auf dem Pfannkuchen auch noch den Gaumen verwöhnt.