Unerfüllter Kinderwunsch: Aus der Sicht einer Betroffenen
Sobald die Entscheidung für ein Baby steht, wird es eine spannende Zeit. Frau fängt an, sich mit ihrem Körper auseinanderzusetzen, verliebt sich in die kleinsten Babyschühchen und nutzt natürlich die fruchtbaren Tage mit dem Partner, um dem Ganzen Leben einzuhauchen.
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Was aber ist, wenn sich dieses Szenario über Jahre hinweg durchzieht?
Wir haben uns mit einer Betroffenen unterhalten und blicken somit in einen bislang unerfüllten Kinderwunsch, für den man schon so einiges durchgemacht hat. Wie Luisa, 29 Jahre aus Köln, trotzdem weiterhin positive Kraft schöpfen kann, das verrät sie unserer Redakteurin in ihrer Geschichte – mit einem Ziel.
Interview
Ich war 22 Jahre jung, gerade frisch aus der Ausbildung. Ich erinnere mich noch so gut an den Tag, als ich die Pille absetzte. Die Vorfreude auf das Ungewisse, das hatte mich total in seinen Bann gezogen. Immerhin wussten wir ab Tag 1 unserer Beziehung, wie unsere Kinder mal heißen sollen. Als ich dann anfing, mich mit der ganzen Materie zu beschäftigen, wurde mir klar: Das wird gar nicht so einfach wie gedacht! Trotzdem malten wir uns aus, wie unser Baby heißen wird, was es für ein Charakter sein wird, wir schauten nach Klamotten, Kinderzimmern und träumten vom Familienleben.
Häufig braucht der weibliche Körper einige Zyklen, bis er sich nach Absetzen der Pille reguliert und wieder in Fahrt kommt. Was anfangs unbedenklich schien, entpuppte sich bei Luisa jedoch als etwas ganz anderes.
Nach einigen Monaten fiel mir auf, dass ich lange Zyklen hatte, was ja nach Absetzen der Pille nicht selten vorkommt. Um das Ganze besser einzuschätzen, kaufte ich mir einen Zyklusmonitor. Als dieser nach einigen Zyklen keinen Eisprung anzeigte, wurde ich doch unruhig. Ich ging zu meiner Frauenärztin, erläuterte mein Problem und da wurde es dann auch diagnostiziert: PCO. Ab dem Zeitpunkt war mir klar: Das wird noch ein langer Weg!
PCO (Polyzystisches Ovarial-Syndrom) betrifft geschätzt vier bis zwölf Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter in Europa. Es ist somit die häufigste hormonelle Störung, zudem die häufigste Ursache für eine Unfruchtbarkeit aufgrund von Zyklusstörungen.
Ich habe mich beim Frauenarzt und Endokrinologen informiert, was das für mich und meinen Körper bedeutet. Natürlich habe ich auch im Internet nachgeschaut und mir weitere Informationen verschafft. Ich bekam für 3 Monate die Pille, ein Medikament, um meine zusätzliche Insulinresistenz zu behandeln und stellte meine Ernährung auf eigene Faust um. Ich suchte Gleichgesinnte, surfte viel im Internet und so lernte ich meine Hormonstörung immer besser kennen. Die Medikamente brachten etwas. Ich hatte endlich einen Eisprung! Für mich war das ein Meilenstein, ich hatte wieder neue Hoffnung, neue Energie, wir waren bereit – jetzt konnte es richtig losgehen. Aber es tat sich nichts. Und auch die Behandlungen in der Kinderwunschklinik waren erfolglos.
Video: Mögliche Gründe für unerfüllten Kinderwunsch
Wie fühlt es sich an, wenn man nach Jahren immer noch kein Baby in den Armen halten kann? Wie geht man mit schwangeren Bekannten um, den Fragen „Wann ist es bei euch soweit?“ Und wie schafft es Frau, psychisch stabil zu bleiben?
Ich habe in dieser langen Zeit sehr viele Phasen durchlebt. Anfangs euphorisch, nach einiger Zeit ungeduldig, dann sogar depressiv. Mit der Zeit fragt man sich „Wieso ich?“ Man hinterfragt sein komplettes Leben, die Aussagen der Ärzte. Was man erst nicht wahrhaben will, wird irgendwann so real, dass es einem die Luft abschnürt. Schwangeren konnte ich nicht in die Augen schauen, denn ich fing direkt das Weinen an. Es war wie eine Art Trauma, welches mich immer mehr beeinflusste. Auf Fragen, wann es bei uns endlich soweit sei, wurde ich pampig und stritt den Kinderwunsch zeitweise sogar ab. Als ich das einige Zeit bewusst so erlebte, wusste ich, dass uns nur eine Möglichkeit bleibt. Nach der ersten erfolglosen ICSI und dazu noch sehr hoch dosierten Hormonen, gingen wir in eine komplette Babypause – ich musste wieder zu mir selbst finden!
Der unerfüllte Kinderwunsch kann für Paare eine sehr große psychische Belastung darstellen. Sollte sich das so weit ziehen, dass man sich alleine fühlt und keinen Ausweg aus seiner Situation findet, depressiv wird und sogar die Beziehung darunter leidet, kann man sich psychologische Hilfe suchen oder man versucht es auf eigene Faust – wie Luisa.
Ich wollte endlich wieder Leben und Spaß spüren. Ich wollte nicht mehr im Bett liegen und mich wie ein Zombie fühlen, der keinen Sinn im Leben sieht. Nach 5 Jahren Sex nach Plan, 5 Jahren jeden Monat wieder die Periode und Enttäuschung, musste ich im Leben Sinn finden. Ich überlegte, was die Zukunft bringen soll, ohne Kind. So hatte ich wieder Liebe zu meinem Hobby gefunden, hatte den Job endlich gewechselt und fing Monat für Monat an, das Leben wieder zu genießen. Der Kinderwunsch war zwar immer im Hinterkopf, aber bei Weitem nicht mehr so extrem. Ich wollte einfach nicht mehr durch etwas bestimmt werden, was noch nicht ist. Und es tat uns gut – auch als Paar.
Video: Infos zur künstlichen Befruchtung
Wie ging es nach der Pause weiter? Wie geht es Luisa heute? Und hat es endlich mit dem Kinderwunsch geklappt?
Nein, nach 8 Jahren sind wir immer noch kinderlos, aber seit Kurzem wieder am Hibbeln. Es hat sich seitdem vieles verändert. Wir sind umgezogen, haben einen tollen Hund der viel Liebe und Zeit benötigt, ich habe einen tollen Job. Mein Tag ist wirklich ausgefüllt. Die Prioritäten haben sich geändert. Wir machen immer wieder bewusste Babyplanpausen, sobald ich merke, dass es mich zu sehr beschäftigt. Das klappt gut.
Ich habe sehr lange gebraucht, diese Situation zu akzeptieren. Und heute freue ich mich Schwangere zu sehen, Babys im Arm zu halten und mit den Nachbarkindern zu spielen, ohne mir selbst Vorwürfe zu machen oder daran zu zerbrechen. Auch wenn die letzten Jahre kein Zuckerschlecken waren, so haben sie mich sehr geprägt und mich zu dem Menschen gemacht, der ich nun bin. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, ein Kind zu haben. Und sollte es irgendwann dann doch passieren, wird es für uns unser persönliches Wunder.
Das Thema unerfüllter Kinderwunsch kommt immer mehr ins Gespräch, wird dennoch oft unter den Tisch gekehrt. Egal ob es gesundheitliche Gründe dafür gibt oder nicht, es ist für viele Paare eine wahnsinnige Herausforderung – ob mit positivem oder negativem Ende. Deswegen hat Luisa ein Ziel, welches sie an Mütter mit Töchtern weitergeben möchte.
Ich wünsche mir mehr Aufklärung. Jungen Frauen muss klar gemacht werden, dass es keine Garantie gibt schwanger zu werden! Die Zeiten haben sich geändert und die Umwelteinflüsse machen sich auch beim Thema Fruchtbarkeit bemerkbar. Es muss den jungen Frauen bewusst gemacht werden, dass Kinder kriegen nicht immer funktioniert, dass es schwer werden kann. Das wünsche ich mir – mehr Offenheit und Ehrlichkeit beim Thema unerfüllter Kinderwunsch!
Wir danken Luisa für ihre Geschichte und ihre offenen Worte. Und wir drücken ihr ganz fest die Daumen, dass sie bald ihr kleines Wunder in den Armen halten darf.